Borreliose: Gestochen, was nun?
Was tun nach einem 'Stich'?

Zecken können eine Vielzahl von Krankheitserregern wie Viren und Bakterien übertragen. Von epidemiologischer Bedeutung sind vor allem Infektionen mit dem Bakterium Borrelia burg-dorferi und dem FSME-Virus.

Die ÄRZTEWOCHE sprach mit OA Dr. Friedrich Breier, Dermatologe im Krankenhaus Lainz, Wien, über das Vorgehen nach Zeckenstich sowie Diagnostik, Therapie und Komplikationen der Lyme-Borreliose.

Wie hoch ist die Durchseuchung der Zecken mit Borrelia burgdorferi?

BREIER: Studien zur Durchseuchungsrate der Zecken und ihrer Nymphen weisen gebietsabhängig eine Infektionsrate von bis zu 100 Prozent auf. Die Endemiegebiete entsprechen der inversen Höhenkarte, ab 2.000 Meter Höhe ist die Temperatur für Zecken zu tief. In Wien finden sich Endemiegebiete entlang der Thermenlinie, im Bereich des Wienerwalds und der Lobau. An unserer Abteilung behandeln wir jährlich etwa 150 Patienten jährlich mit Lyme-Borreliose.

Wie erfolgt die Übertragung?

BREIER: Die Zecken leben erdnah. Sie orientieren sich durch Chemorezeptoren (säureempfindlich) und taktile Rezeptoren. Sie können vom Boden entlang der Beine der Menschen hinaufkrabbeln. Das erklärt die hohe Inzidenz des Erythema migrans im Bereich der unteren Extremität. Häufig betroffen sind auch Körperstellen mit dünner Haut, wie im Bereich des Skrotums, submammär oder am Übergang zur behaarten Kopfhaut am Hals. Bei Kindern ist der Kopf die häufigste Lokalisation des Erythema migrans. Die Borrelien gelangen durch Stich in die Haut des Menschen, von wo eine hämatogene Verteilung erfolgt. Neben Zecken können auch Pferdebremsen Borrelien übertragen.

Wie entfernen Sie Zecken, und müssen diese vollständig entfernt werden?

BREIER: Ich bevorzuge eine Zeckenzange aus Plastik, die einerseits günstig und mehrfach verwendbar ist. Sie muss nach Gebrauch lediglich in Alkohol gelegt werden. Weiters eignet sich jede anatomische Pinzette. Dabei ist es wichtig, die Zecken möglichst nahe der Haut zu fassen, um eine vollständige Entfernung zu gewährleisten. Bleiben jedoch Teile zurück, kann es zu Komplikationen kommen. Wenn der Verdacht auf Zeckenteile in der Haut besteht, kann der Dermatologe alle in der Haut verbliebenen Anteile mit einer Stanzbiopsie entfernen. So kann zugleich eine Borrelienkultur aus der Haut angelegt werden.

Worüber muss der Patient aufgeklärt werden?

BREIER: Zuerst kläre ich den FSME-Impfstatus. Dann informiere ich den Patienten, dass er wieder kommen muss, wenn er einen roten Fleck bemerkt, der größer wird. Das Erythema chronicum migrans tritt typischerweise zwei Wochen nach dem Stich auf. Es kann aber auch früher, zwei Tage, oder viel später, bis zu mehreren Monaten auftreten. Etwa die Hälfte der Patienten mit Erythema chronicum migrans kann sich jedoch nicht an einen Zeckenstich erinnern.

Eine genaue Anamnese über den Zeitpunkt der Waldspaziergänge kann hilfreich sein.

Wie schaut das Erythema chronicum migrans aus?

BREIER: Das Erscheinungsbild ist sehr vielfältig. Zum Unterschied von der unspezifischen Insektenstichreaktion nimmt das Erythema chronicum migrans an Größe zu, die Begrenzung ist meist oval oder polyzyklisch. Im Rahmen des klassischen Verlaufs kommt es bei länger bestehenden Läsionen zu einer zentralen Abblassung. Die Anzahl der Differentialdiagnosen ist groß. Eine Mykose ist durch Schuppung charakterisiert, während Juckreiz eher auf eine Dermatitis oder ein fixes Arzneimittelexanthem hinweist. Bei unspezifischen Insektenstichreaktionen sehen wir im Zentrum eine dunkelrote Verfärbung, die in der Peripherie abblasst. Bei unsicherem klinischen Befund kann bei Fehlen von systemischen Beschwerden eine Lokaltherapie erfolgen. Ich bestelle die Patienten dann nach drei Tagen wieder. Ist die Haut unauffällig, handelte es sich wahrscheinlich ehestens um eine unspezifische Insektenstichreaktion, bei gleichbleibendem oder progredientem Befund liegt zumeist eine Lyme-Borreliose vor und muss behandelt werden

Wann muss sofort behandelt werden?

BREIER: Systemische Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Gliederschmerzen, Müdigkeit oder Störungen des Kurzzeitgedächtnis können auftreten. Sie erfordern eine sofortige Behandlung mit Antibiotika. Weitere Kontrollen erfolgen unmittelbar nach Therapie und nach etwa zwei Monaten, um Langzeitkomplikationen auszuschließen.

Was für eine Bedeutung hat die Serologie?

BREIER: Die Durchseuchung der Bevölkerung liegt bei bis zu 35 Prozent, in Waldgegenden haben bis zu 100 Prozent der Einwohner eine positive Serologie. In Zusammenhang mit der Klinik ist die Serologie jedoch ein gutes Hilfsmittel. Der ideale Zeitpunkt für serologische Kontrollen ist vor, unmittelbar nach und sechs Wochen nach Therapie. Dabei beobachten wir den Titerverlauf.

Wie wird die Lyme- Borreliose behandelt?

BREIER: Antibiotikatherapie ist die Therapie der Wahl. Penicillin, Cefuroxim, Doxycyclin, Amoxicillin, Minocyclin oder Cefuroximaxetil können verabreicht werden. Für Kinder eignen sich Penicillin, Cephalosporine und bei nachgewiesener Unverträglichkeit gegen diese beiden Substanzgruppen Erythromycin.

Eine interessante Option stellt Cefuroximaxetil dar. Es zeichnet sich durch wenige Nebenwirkungen aus. Die Photosensibilität der Tetrazykline fällt weg und Kinder können auch mit dieser Substanz behandelt werden. Bei Schwangeren empfehle ich die Gabe von Penicillin.

Wie lange muss das Antibiotikum verordnet werden?

BREIER: Wir konnten mit einer randomisierten Studie zeigen, dass eine Therapiedauer über 21 Tage für den Langzeittherapieerfolg wesentlich ist. Nach fünf Tagen Behandlung ist das Erythema chronicum migrans klinisch meist nicht mehr nachweisbar. Bei einer zirkumskripten Sklerodermie (Morphea), die in bis zu einem Drittel der Fälle mit einer Borrelieninfektion assoziiert ist, empfehle ich die stationäre Aufnahme zur intravenösen Ceftriaxontherapie für zwei Wochen. Anschließend verabreiche ich für weitere zwei Wochen Cefuroximaxetil oral. Bei Patienten mit Spätmanifestationen führen wir eine Serologie, eine Biopsie und Borrelienkultur bzw. eine PCR zum Nachweis von Borrelien-DNA im Harn zur Diagnosebestätigung durch.

Wie ist die Prognose?

BREIER: Bei richtiger und rechtzeitiger Behandlung ist die Heilungsrate größer als 90 Prozent. Nicht immer ist anamnestisch ein Erythema chronicum migrans erhebbar, wenn Spätmanifestationen wie Arthritis, Neuritis oder Radikulitis oder ZNS-Manifestationen auftreten. Das Borrelienlymphozytom behandle ich mit einem oralen Antibiotikum für drei Wochen. Es heilt so in aller Regel folgenlos aus. Die Acrodermatitis chronica atrophicans tritt wesentlich seltener auf als das Erythema chronicum migrans. Sie zeichnet sich durch zigarettenpapierartige, dünne Haut aus. Das Venengeflecht tritt deutlich hervor. Ich behandle die Acrodermatitis chronica atrophicans vier Wochen lang mit oraler Antibiotikagabe. Auch bei fortgeschrittener Erkrankung kann es zur vollständigen klinischen Restitution kommen.

Das Gespräch führte Dr. Isabella Presch.

 

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